Saison 2021_2022 
(Die meisten Opern-Bilder stammen von der Operhaus-Homepage)

21.10.21
Opernhaus

Angels' Atlas
Choreographie: Crystal Pite
Musik: Owen Belton
Bühnenbild: Jay Gower Taylor
Kostüme: Linda Chow
Lichtgestaltung: Alan Brodie


"Was lange währt ... Crystal Pites "Angels' Atlas" hätte schon 2020 auf dem Spielplan des Ballett Zürich stehen sollen, doch die Premiere (und europäische Uraufführung) des in Koproduktion mit dem National Ballet of Canada entstandenen Stücks musste aufgrund der Pandemie verschoben werden.
Das Warten hat sich gelohnt. "Angels' Atlas" gleicht einer Sinfonie aus Bewegung und Licht. Die kanadische Choreografin erforscht darin nichts weniger als die Zwischenbereiche von Sein und Nichtsein, Chaos und Struktur, Wissen und Unkenntnis - wie in einem Tanz des Unendlichen. Als Kind habe sie eine Art schweindelerregender Schauer ergirffen, wenn ihr Vater un ihr Onkel vom Universum erzählt häatten, "als wäre ich ein die unermesslichen Weiten des Kosmos hineingesogen", erzählt Pite im Programmheft" [Tagesanzeiger]

Eindrücklicher Abend: Präzision, Licht, Bühne, Atmosphäre und jegliche Form von Beweglichkeit...


23.10.21
Ennetbaden
Theater in Baden
Ein Volksfeind von Henrik Ibsen
 

"Der Arzt, Doktor Stocker, leitet das örtliche Kurbad, den Stolz und das wirtschaftliche Fundament der Region. Doch bei einer Wasseruntersuchung stellt er fest: Das Wasser im Bad ist vergiftet. Zusammen mit der Lokalzeitung will der Doktor die Bevölkerung informieren. Von der Chefredaktorin erhält er erst noch Rückendeckung, aber der Bürgermeister des Ortes – und Bruder von Herrn Stocker – verhindert die Veröffentlichung. Zwischen beiden entbrennt ein erbitterter Streit darüber, was schwerer wiegt: Transparenz und Gesundheit der Badegäste oder ein möglicher wirtschaftlicher Schaden. Wie ein Lauffeuer erfasst der Konflikt den ganzen Ort. Und plötzlich wendet sich die öffentliche Meinung gegen den Wissenschaftler und seine unbequemen Erkenntnisse.
Henrik Ibsen schrieb Ein Volksfeind 1882 als Reaktion auf die öffentliche Diffamierung seiner Person und Stücke, welche gesellschaftliche Konventionen infrage stellten. Es war ihm höchst suspekt, wie die „öffentliche Meinung“ zur Wahrheit erhoben wird und welche Konsequenzen das für diejenigen hat, die gegen gesellschaftliche Selbstverständlichkeiten aufbegehren (Text: Staatstheater Hannover)inung gegen den Wissenschaftler und seine unbequemen Erkenntnisse [Staatstheater Hannover]

Spielfreudiges Ensemble, von Regisseur Florian Oberle bestens vorbereitet! Geschickte Raumaufteilung - wunderbar wandelbares Bühnenbild (zweidimensional...). Die Spielenden haben den Text in ihre eigene Mundart übersetzt - passt sehr gut!


 





17.11.21
Alte Kirche Boswil
Meisterkonzert: Thomas Hampson
Liederzyklus "Winterreise"
anschliessend: Künstlergespräch, moderiert von Christine Egerszegi

 

«Lieder sind die Landkarte der menschlichen Seele.» Das sagte einmal der amerikanische Bariton Thomas Hampson. Und meinte damit ganz besonders die Schubert-Lieder. Dieser Wiener Komponist hat’s ihm, der längere Zeit in Wien gewohnt hat, definitiv angetan. So hat Thomas Hampson denn auch vorgeschlagen, in Boswil ein Programm mit Liedern von Franz Schubert und passend zur Jahreszeit, den Liederzyklus «Winterreise» zu singen. [Künstlerhaus Boswil]

Eindrückliche Leistung von Th. Hampson und von Wolfram Rieger am Flügel.
Spannend und voller Humor anschliessend das Künstlergespräch!

29.11.21
Stadtsaal Zofingen

Ursus & Nadeschkin:
Der Tanz der Zuckerpflaumenfähre

"Ursus & Nadeschkin in Höchstform. Es geht um Goethe und Madonna. Um Indien oder China. Um Antanzen oder besser Ressourcen sparen. Um Kühe und Zitronen und um Brillen, die fehlen, wenn sie uns fehlen. 
Zwerchfellerschütternd und spielfreudig wie eh und je.

 In gewohnter (Un-)Klarheit beschreiben sie ihren «Tanz der Zuckerpflaumenfähre»: «Ob Unsinn das ist, was wir mit Nonsens beschreiben? Denn das Verzaubern von Aussicht und Vertonen von Dingen, von denen nicht jeder wissen muss, dass wir sie haben, sprengt die Vorstellung der Vorstellung. Tschaikowsky würde das Programm jedenfalls gefallen, denn die Vorsicht ist die Stiefmutter des Brunnens, der bricht, solange man tut, was wir an dieser Stelle – mit grossem Bedauern – vergessen haben. Mehr weiss keiner, danach wissen wir mehr! Mit freundlichen Grüssen.»

Ursus & Nadeschkin schaffen es auch in ihrem zehnten Programm, eine absurde Mischung aus Geschichten und Lieblingsnummern, die noch nie in einem Duo-Programm zu sehen waren, ihre ganz eigene Welt neu zu erfinden. Regie führt wiederum Tom Ryser." [Bühne Aarau]

Tja, einfach ganz grosse Klasse!



02.12.21
Opernhaus


Amadeus Mozart: Cosi fan tutte
Regie und Inszenierung aus der Ferne: Kirill Serebrennikov
Umsetzung vor Ort, Choreografie: Evgeny Kulagin

 

"Um die Abgründe der Liebe geht es in fast allen Opern Mozarts – doch in keiner so ausschliesslich wie in Così fan tutte. Hier scheint zunächst alles einfach und unerschütterlich: Ferrando und Guglielmo lieben ihre Verlobten Dorabella und Fiordiligi. Dass die Frauen ihnen treu sind, darauf gehen die Männer jede Wette ein. Auch mit Don Alfonso, der sicher ist, ihnen mit einem Experiment das Gegenteil vorführen zu können. Doch was als harmloses Spiel geplant war, entwickelt sich zum grausamen Experiment am offenen Herzen, das allen Beteiligten schliesslich den Boden unter den Füssen wegzieht: Denn die Figuren müssen erkennen, dass das, was sie glauben zu fühlen, und das, was sie tatsächlich empfinden, in schmerzhaftem Widerspruch zueinander steht. Mozart schaut seinen von ihren Gefühlen hin- und hergeworfenen Figuren tief ins Herz; wie kein anderer weiss er mit seiner Musik von der verwirrenden Vielschichtigkeit ihrer Seelenlagen zu erzählen. Zugleich ist Mozart jedoch kein Moralist – er verurteilt seine Figuren nicht, und so wird daraus ein Musiktheater, das Abgründiges auf wunderbar leichte und durchaus komödiantische Art und Weise vorführt. Abgründe tun sich hier allerdings keineswegs nur bei den Frauen auf – così fan tutti. 

Die äusserst dichte und radikal zeitgenössische Inszenierung von Kirill Serebrennikov entstand 2018 unter sehr besonderen Bedingungen: Der russische Regisseur stand in Moskau unter Hausarrest und konnte bei den Proben selbst nicht anwesend sein. Der künstlerischen Aussagekraft hat das nicht geschadet – Publikum und Presse waren gleichermassen von seiner Regiearbeit begeistert. [opernhaus.ch]

Sehr gute Inszenierung, die jede Gesangssequenz voll ausspielt. Kein an der Kante stehen und singen. Die Bühne lebt ununterbrochen. Ein Glücksfall sind die beiden Spielebenen, welche die Doppelbesetzung Schauspiel/Gesang der neuen Liebhaber wunderbar spielbar macht.

16.12.21
Opernhaus

Leonce und Lena von Georg Büchner (Ballettabend)

In seinem nur wenige Werke umfassenden Œuvre hat der deutsche Dichter Georg Büchner Abgründe des Menschen erkundet. Seit 1836 wirkte er in Zürich als Privatdozent für Medizin, und hier ist er mit nur 23 Jahren gestorben. Heute gilt Büchner als einer der wichtigsten Autoren des 19. Jahrhunderts und als Bahnbrecher der Moderne.
Christian Spuck hat sich immer wieder mit Georg Büchner beschäftigt und sowohl dessen wohl berühmtestes Drama Woyzeck als auch das Lustspiel Leonce und Lena auf die Ballettbühne gebracht. Seit der Uraufführung in Essen war Spucks Leonce und Lena nicht nur in Stuttgart und Zürich, sondern auch in Montréal, Charlotte (USA) und Prag zu sehen.
Prinz Leonce aus dem Reiche Popo und sein Freund Valerio geben sich mit grosser Leidenschaft dem Nichtstun hin. Doch ausgerechnet jetzt will König Peter die Amtsgeschäfte niederlegen. Prinz Leonce soll die Thronfolge antreten und heiraten. Um der Zwangsheirat mit einer ihm unbekannten Prinzessin zu entgehen, ergreift Leonce die Flucht nach Italien. Auch die für ihn vorgesehene Prinzessin Lena aus dem Reiche Pipi will keineswegs einen ihr unbekannten Mann heiraten und flieht mit ihrer Gouvernante vor den königlichen Hochzeitsplänen. Unterwegs begegnen sich die beiden – und verlieben sich. In Unkenntnis der Identität des jeweils anderen erscheinen sie maskiert am Hofe von Leonces Vater und werden miteinander verheiratet. 

In diesem Ballettabend für die ganze Familie verwandelt Christian Spuck Büchners hintersinnig-sarkastische Komödie über die Langeweile in eine tempo- und einfallsreiche Automaten-Farce. Polkas und Walzer von Johann Strauss wie auch die modernen Klänge von Alfred Schnittke und Bernd Alois Zimmermann illustrieren die traurig-komische Geschichte und unterstreichen ihre parodistische Seite. [Opernhaus]

Eine wunderbare Umsetzung in brilliante Tanzszenen.

 







13.01.22
Opernhaus

Anna Bolena von Gaetano Donizetti

"Hätte es Netflix schon früher gegeben – die Kultserie «The Crown» hätte noch ein paar saftige Staffeln mehr bieten können. Etwa über den Tudor-König Heinrich VIII. (1491–1547): Er servierte seine Gattin Katharina ab, um die ebenso ehrgeizige wie kluge Anne Boleyn zu heiraten.
Aber sie fiel schon bald in Ungnade, der König verliebte sich in die Hofdame Jane Seymour, die seine dritte Gattin werden sollte (insgesamt heiratete er sechsmal). Davor musste er Anne Boleyn loswerden, inszenierte deshalb eine Intrige, die nicht nur sie den Kopf kostete, sondern auch ihre (scheinbaren? tatsächlichen?) Liebhaber und ihren Bruder, mit dem sie ein inzestuöses Verhältnis gehabt haben soll – so lautete jedenfalls die Anklage.

Eine strube Geschichte, tatsächlich; die heutigen Royals könnten noch einiges lernen von ihren Vorgängern. Und klar: eine ideale Geschichte für eine Serie. Das hat im 19. Jahrhundert der Komponist Gaetano Donizetti bemerkt, der sie in seiner Oper «Anna Bolena» auf die Bühne gebracht hat – als Teil seiner Tudor-Trilogie, die am Zürcher Opernhaus mit diesem Stück bei der zweiten Etappe angelangt ist.

Regisseur ist wie schon bei der «Maria Stuarda» 2018 David Alden, und Ausstatter Gideon Davey mixt wie dort Historisches und (beinahe) Heutiges. So trägt Anna Bolena Reifrock und Haube, während der Hut von Jane Seymour auch Camilla Parker-Bowles gefallen könnte. Sehr stilvoll ist das, sorgfältig durchgestaltet, mit einer Prise makabrem Humor versetzt; aber doch nicht ganz so originell wie Teil 1" [Tagesanzeiger ]          ¨

[Leserbriefschreiber Tagesanzeiger] 

Franke Meyer

07.12.2021

"Leider war die Regie zuweilen gar inkonsequent und statisch. Schade auch, dass die Kritikerin sich kaum zu den anderen Sänger/innen äussert. Das Rollendebüt von Frau Damrau ist noch steigerungsfähig. Zu verinnerlicht ist sie die Rolle angegangen und bis auf das grosse Finale fiel sie im Vergleich zum Rest der Hauptpartien ab. Es war manchmal schwer erträglich, dass sie von der grossartigen Mezzosopranistin Karine Deshayes selbst in Sopranhöhen derart an die Wand gesungen wurde. Was zu verhalten von Frau Damrau war, war wiederum vokal zu grobschlächtig von Herrn Pisaroni. Der Tenor von Alexey Neklyudov war hingegen bis auf einige Takte ein Ereignis sondergleichen in einer mörderischen Partie. Der Chor und Dirigent hatten öfters hörbar grössere unterschiedliche Tempovisionen der Stücke."

Diese von Franke Meyer stammt wohl von der Premiere. Am 13.1. fiel Frau Damrau nicht ab - zwei ebenbürtige, sehr gute Sängerinnen in den weiblichen Hauptrollen.
Die Inszenierung fand ich - vor allem in der ersten Stunde wenig inspiriert, fast unbeholfen. (Wenn ich das mit "Cosi fan tute" vergleiche...)

 







10.03.22
Opernhaus

L'italiana in Algeri von Gioacchino Rossini

"Trottelige Machos, eine ebenso schöne wie schlaue Frau, eine hanebüchene Intrige: Man kann nicht behaupten, dass Rossinis «L’italiana in Algeri» zu den subtilsten Werken der Operngeschichte gehört. Und wenn die Protagonistin auf einem Dromedar auf die Zürcher Bühne gefahren wird, das sichtbar Gase entweichen lässt, wird klar: Auch diese Aufführung macht kein Kabinettstück der tiefenpsychologischen Feinheiten daraus.
Zum Glück ist es Cecilia Bartoli, die da auf dem Dromedar sitzt, eine Sängerin also, die weiss, wie Komödie geht. Ist sie einmal abgestiegen, ist sie nicht mehr zu bremsen: Sie schmachtet und schmollt und keift und kokettiert so, dass sie nicht nur den männlichen Figuren, sondern auch dem Publikum den Kopf verdreht.
Und noch eine Qualität hat sie: Sie sucht nicht die One-Woman-Show, sondern besteht auf starken Mitsängern respektive Liebhabern. Hier hat sie gleich drei davon: Lawrence Brownlees Lindoro ist ein überaus sympathischer Mensch, der selbst die Schnellstsing-Koloraturen mühelos und akzentfrei bewältigt. Der Mustafà von Ildar Abdrazakov ist dagegen die personifizierte Midlife-Crisis: Er hat genug von seiner Frau (obwohl Rebeca Olvera wirklich schön singt), also will er sich diese Italienerin angeln – ohne zu merken, dass sie keineswegs die Liebe im Kopf hat, wenn sie sich ins Schaumbad setzt.
Und dann ist da noch Nicola Alaimo als Taddeo, ein Opfer aller anderen, der mit quietschrosa Trainingsanzug und warmem Bariton gleich bei seinem Debüt auf dieser Bühne zum Publikumsliebling avanciert.
Hört man dazu noch die spritzige Interpretation des Orchestra La Scintilla Zürich unter Gianluca Capuana, wäre das Glück perfekt – wenn da nicht die Inszenierung wäre. Bartolis Lieblingsregisseure Moshe Leiser und Patrice Caurier haben sie bereits 2018 für die Salzburger Pfingstfestspiele ausgetüftelt, ohne dass ihnen allzu viel in den Sinn gekommen wäre."
[Tagesanzeiger]
Etwas gar klamaukig, aber hervorragend gesungen!






26.05.22
Opernhaus


Lucia di Lammermoor von Gaetano Donizetti


"Liebe, zerstörerisch-heftige Liebe, ohne die jede Oper kalt bleiben muss»: Das war es, was Donizetti von einem Opernstoff forderte – und das war es auch, was ihm der Roman The Bride of Lammermoor von Walter Scott in höchster Intensität lieferte: Lucia hat sich in Edgardo verliebt, den Todfeind ihres Bruders Enrico. Edgardo ist bereit, den Hass zwischen den Familien zu überwinden, doch Enrico ist vor Wut ausser sich, als er von der Liebe seiner Schwester zu Edgardo erfährt. Lucia soll den reichen Arturo Bucklaw heiraten, von dem sich ihr Bruder die Sicherung der eigenen, von Schulden bedrohten Existenz erhofft. Am Schmerz über ihre ungelebte Liebe zerbricht Lucia. Ihrer Sinne nicht mehr mächtig, wird sie zur Mörderin und ihr eigener Tod zur einzig möglichen Befreiung aus einer ausweglosen Situation." [Opernhaus]
Eine aufwühlende Inszenierung mit der wunderbaren Sopranistin Lisette Oropesa als Lucia.