Filme 2021 
 
25.04.21
Kino Orient
Pawo Choyning Dorji
Lunana
"Ein junger Lehrer aus der Stadt wird ins entlegene Lunana-Hochgebirgstal geschickt und macht sich widerwillig auf den Weg durch die bezaubernde Bergwelt. Vor Ort trifft er auf eine Gemeinschaft, die ihn mit Respekt betrachtet. Nur ein Lehrer könne «die Zukunft der Kinder berühren». Der wunderschöne Spielfilm aus Bhutan wurde in Lunana auf 3'700 bis 4'200 m ü.M. mit Solarenergie und LaiendarstellerInnen gedreht, die dort die wohl abgelegenste Schule der Welt besuchen.
Ein Liebesfilm in Zeitlupe, möchte man sagen, so sanft ist er in seinen Annäherungen. Ugyen lebt in Thimphu, der Hauptstadt Bhutans. Eigentlich träumt er davon, nach Australien auszuwandern und dort als Musiker Karriere zu machen. Doch er wird dazu verknurrt, sein letztes Lehrjahr als Lehrer in Lunana zu verbringen. Dort steht im Dorf Lhedi (3'730 M.ü.M.) die wohl abgelegenste Schule der Welt, warten ein Dutzend Kinder wissbegierig darauf, unterrichtet zu werden. Sie wären der Traum eines jeden Lehrers, aber nicht der von Ugyen. Er will runter und weg. So einfach geht das allerdings nicht, denn Lunana liegt an den Hängen des Himalaya und ist nur in einem achttägigen Treck erreichbar.
Pawo Choyning Dorji lädt uns in seinem ersten Spielfilm ein, die Reise mit Ugyen zu unternehmen und ein Dorf kennenzulernen, in dem auch die Kinder mit wenig zufrieden sind. Die Geschichte, die er erzählt, setzt sich aus wahren Begebenheiten zusammen, die Menschen spielen sich selber. Das Mädchen Pem Zam etwa, es rührt das Herz Ugyens und unseres. Er, der den Beruf des Lehrers an den Nagel hängen wollte, erfährt hier mehr übers Schule geben als in seiner Ausbildung. Und er scheint auch besser zu spüren, was das «Bruttosozialglück» bedeutet, das der König seinem Land verordnet hat und höher gewichtet als das Bruttosozialprodukt. Der Film «Lunana» ist so etwas wie die Suche nach dem Glück, das wir gerne weit weg wähnen, wo es doch ganz nah sein kann. Über die hübsche Sandon und ihre Lieder lernt Ugyen Mythen des Gebirges kennen und ahnen, dass es in Beziehungen auch Tiefe und Glück geben kann. Ihre Annäherung geschieht ganz leise, in Zeitlupe, möchte man sagen." [Walter Ruggle]
Endlich wieder Grossleinwand - und auf Anhieb ganz grosses Kino!
Unbedingt nicht verpassen!





 
27.05.21
Lunch-Kino
Bettina Oberli
Wanda, mein Wunder

"Für die wohlhabende Familie Wegmeister-Gloor war nach dem Schlaganfall des betagten Familienoberhaupts klar: Josef wird nicht in ein Pflegeheim eingewiesen. Viel zu lieblos wäre das. So wird die junge Polin Wanda eingestellt, um ihn im Familienanwesen am See rund um die Uhr zu betreuen.
Die Arbeit ist schlecht bezahlt, aber Wanda braucht das Geld für ihre eigene Familie in Polen. Da alle unter einem Dach leben, bekommt Wanda einen intimen Einblick in das Familienleben der Wegmeister-Gloors. So intim, dass Wanda unerwartet schwanger wird. Von Josef.
Die Familie reagiert entsetzt. Die starren Strukturen, die ihr Leben schon immer bestimmt haben, beginnen zu bröckeln. Konflikte brechen aus, Vorwürfe werden laut. Und doch kommen sich in diesem emotionalen Chaos auch alle wieder näher.
Regisseurin Bettina Oberli wirft einen überraschenden und erfrischenden Blick hinter die Fassade einer wohlhabenden Schweizer Familie, der uns zum Lachen bringt und uns gleichzeitig den Spiegel vorhält. «Wanda, mein Wunder» ist ein Film wie das Leben selbst: voller intensiver Momente – mal traurig und wütend, dann wieder lustig und von Freude erfüllt." [filmcoopi.ch]
Eine doch auch düstere Geschichte mit Leichtkeit, aber nicht oberflächlich erzählt.
27.10.21
Kino Orient

Kakouther Ben Hania, Tunesien
The Man Who Sold His Skin

Sam ist ein ebenso sensibler wie impulsiver junger Mann, der aus Syrien in den Libanon geflohen ist und zu seiner Geliebten Abeer nach Brüssel reisen möchte. Nur wie? Der renommierte Künstler Jeffrey Godefroy will ihm helfen, indem er ein lebendes Kunstwerk aus Sam macht und so über die Grenzen bringt. Kaouther Ben Hania brilliert einmal mehr mit ihrem scharfsinnigen und schonungslosen Blick auf unsere Gegenwart.
Sam Ali und Abeer sind ein Paar aus Raqqa am Euphrat. Es hat sich ewige Liebe versprochen und träumt von einem Leben in Frieden. Sam haut aus Syrien ab, bevor man ihn einsperrt; Abeer wird von ihrer Familie an einen Diplomaten verheiratet, der das Land in Brüssel vertreten soll und Abeer mitnimmt. Sam will ihr nachreisen, aber wie kommt ein syrischer Flüchtling nach Europa? In Kunstgalerien futtert er sich durch und trifft auf die Agentin Soraya und den erfolgreichen Künstler Jeffrey Godefroy. Der bietet dem verzweifelten Verliebten an, ihn zum Kunstwerk zu machen und als solches nach Brüssel zu bringen. Ein Pakt mit dem Kunstteufel. Godefroy tätowiert Sam das begehrte Schengen-Visum auf den Rücken und verändert seinen Körper statusmässig vom Flüchtling zum Kunstobjekt. Nun steht Sam die Welt offen, liegt ihm die Kunstwelt zu Füssen. Freiheit hat ihren Preis.
Man könnte sagen: Zynischer lässt sich die Gegenwart nicht zuspitzen, aber die Tunesierin Kaouther Ben Hania, die uns diese Geschichte bravourös inszeniert erzählt, hat diese nicht erfunden. Es gibt den realen Fall, der dem Film vom Mann, der seine Haut verkauft, zugrunde liegt. 2006 hat der Belgier Wim Delvoye dem Schweizer Tatoo-studiomann Tim Steiner den Rücken in ein grosses Bild verwandelt und für 240’000 Franken an einen Sammler verkauft. So kam Steiner als Objekt in die Museen der Welt. Kaouther Ben Hania hat schon in früheren Filmen wie ihrem Mockumentary Le challat de Tunis bewiesen, wie spannend es sein kann, mit Fakten zu spielen, sie zu fiktionalisieren, um umso scharfsinniger zum Kern vorzudringen. Hier bringt sie das Schicksal eines Flüchtlings mit dem Wesen der Kunstwelt zusammen und entblösst im ureigensten Sinn die Käuflichkeit der Welt. Wer seine Haut opfert, kann ans Ziel gelangen. Eine wuchtige Satire. [Walter Ruggle]

Ein wunderbarer Film. "Der letzte Weynfeldt" von Martin Suter lässt grüssen!