Filme 2018
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18.01.18
Lunchkino |
John Carroll Lynch
Lucky
Als „Lucky“ im Oktober 2017 das Filmfest Hamburg eröffnete, war sein
Hauptdarsteller Harry
Dean Stanton erst wenige Tage zuvor im Alter von 91 Jahren
verstorben. Das melancholische Drama wurde damit zu einer Art
Vermächtnis dieser Ikone (nicht nur) des Independent-Kinos, die durch
Auftritte in Klassikern wie „Alien“,
„Paris,
Texas“ oder „Wild
At Heart“ in die Filmgeschichte eingegangen ist.
In „Lucky“ spielt Harry Dean Stanton die gleichnamige Titelfigur, einen
alten Mann, der irgendwo in einer amerikanischen Wüstenortschaft allein
in einem kleinen Haus lebt und tagein tagaus der gleichen Routine folgt.
Wir sehen Lucky beim Fernsehen, beim Zigarettenkaufen und bei
alltäglichen Arbeiten. Was so unspektakulär klingt, wird in der
feinfühligen Inszenierung des Schauspielers John Carroll Lynch („Fargo“),
der mit „Lucky“ sein bemerkenswertes Regiedebüt gibt, zum Ereignis, wie
ihr in unserer 4,5-Sterne-Kritik nachlesen könnt."
[filmstarts.de]
Wunderbar, wenn ein Charakterkopf einen ganzen Film ausmachen kann.

Harry Dean Stanton in "Paris, Texas |

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25.01.18
Le Paris |
Martin McDonaghs
Three Billboards Outside Ebbing, Missouri
Der einzige Unterschied zwischen einer
"Hockey Mom" und einem Barracuda, witzelte
Sarah Palin einmal, sei Lippenstift. Bei
Mildred Hayes (Frances McDormand) fällt
selbst dieser Unterschied weg. Ohne einen
Tupfen Make-up, in einem fleckigen Blaumann
steckend und von reiner Wut angetrieben,
beißt sie sich durch ihr Leben. Vor sechs
Monaten ist ihre Tochter Opfer eines
unfassbaren Verbrechens geworden. Doch
Mildreds Heimatstadt Ebbing, Missouri,
scheint die Tat langsam zu vergessen.
Als sie
eines Tages drei leere Anschlagtafeln kurz
vor dem Ortseingang sieht, mietet Mildred
sie kurzentschlossen an und erinnert Ebbing
in Schwarz auf Rot daran, was sie seitdem
nicht schlafen lässt: "Vergewaltigt, während
sie im Sterben lag", steht auf der ersten
Tafel. Es folgen: "Und immer noch niemand
verhaftet?" Schließlich: "Wie kann das sein,
Chief Willoughby?"
Weil es keine
Zeugen und keine
verwertbaren
Spuren gibt,
antwortet dieser
Willoughby
(Woody
Harrelson) - mit
viel Geduld und
Nachsicht
gegenüber der
aufgebrachten
Mildred. Aber
nicht nur
deshalb schlagen
sich die
Einwohner von
Ebbing auf seine
Seite: Der
überaus beliebte
Polizeichef hat
Krebs und wird
bald sterben.
Statt ihn
öffentlich
anzugreifen, so
der breite
Konsens, sollte
Mildred ihn
lieber seine
letzten Monate
über in Ruhe
leben lassen.
Unvermutet
findet sich
Mildred vor
einer
schwerwiegenden
Entscheidung
wieder. Soll sie
weiterhin ihrer
Wut freien Lauf
lassen oder sich
einkriegen und
strategische
Verbündete für
ihren Kampf
suchen?
Es ist eine
Entscheidung,
wie sie nicht
besser in unsere
Zeiten von Feuer
und Zorn passen
könnte:
Molotowcocktails
fliegen
[spiegel.de]
Gewaltiger, gewalttätiger Film über Wut und Rache mit einer ganz starken
Frances
McDormand |

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01.02.18
Lunchkino |
Bernard
Weber
Der Klang der Stimme
"Was passiert, wenn Menschen singen? Kann man mittels Stimme
Glücksgefühle erzeugen? Was erlebt ein Sänger bei einer «magischen»
Performance? Solche Fragen gingen Bernard Weber nach seinem Film über
Jodler («Die Wiesenberger») durch den Kopf und bewogen ihn, sich mit der
menschlichen Stimme weiter auseinanderzusetzen. Nun erzählt er von vier
Menschen – darunter die Sopranistin Regula Mühlemann und der
Stimmkünstler Andreas Schaerer – die mit Leidenschaft versuchen, die
Grenzen und Qualitäten der menschlichen Stimme auszuloten. Sowohl Sänger
und Sängerinnen, wie auch ein Stimmforscher und eine Therapeutin suchen
nach dem Geheimnis des perfekten Klangs. Ein Muss – nicht nur für
Musikliebhaber." [lunchkino.ch]
Sehr, sehr gut!

Andreas Schaerer:http://andreasschaerer.com/ oder
https://www.youtube.com/watch?v=FAKio4qfeqM |

Miriam Helle
Regula Mühlemann
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21.03.18
arte-tv |
Pedro Almodovar
High Heels
"Rebeca hat alles wovon man träumt: Sie ist ein berühmter TV-Star, Ehefrau des
TV-Produzenten Manuel und Tochter der gefeierten Sängerin Becky del Paramo. Doch
der perfekte Schein trügt: ihr Mann war der Geliebte ihrer Mutter und diese
liess vor 15 Jahren ihr Kind im Stich. Jetzt steht sie plötzlich wieder vor der
Tür; und mit ihr eine Menge Probleme - denn kurz nach Beckys Erscheinen ist
Manuel tot und Rebeca befindet sich mitten in einem verwirrenden Chaos aus
Transvestiten, geheimnisvollen Richtern und zänkischen Geliebten. Nichts und
niemand ist, was er scheint. Während die Polizei Rebecca verdächtigt, versucht
diese herauszufinden, was ihre Mutter mit all dem zu tun hat. Liebe, Betrug,
Mord: Spaniens Kult-Regisseur Pedro Almodóvar präsentiert einen spannenden
Cocktail bizarrer Ereignisse." [movieplot.de]
Wunderbare Geschichte mit wunderbaren Schauspieler/innen und perfekter Regie. |

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03.05.18
Riffraff |
Greta Gerwig
Lady Bird
"Wie viele Teenager glaubt Lady Bird, dass ihr jugendliches Leben furchtbar
langweilig ist. Sie hat grosse Ambitionen, will an eine prestigeträchtige Uni an
der Ostküste gehen, aber alle Erwachsenen sagen ihr, dass sie sich mit ihren
Noten und Mangel an Finanzen mit der hiesigen Volkshochschule zufrieden geben
müsse. Sie sucht nach der grossen Liebe, wird von ihrem Schultheaterkollegen
(Lucas Hedges) und dem hiesigen Bad Boy Kyle (Timothée Chalamet) aber nur
enttäuscht.
Eine der wichtigsten Beziehungen in Lady Birds Lebens ist aber die mit ihrer
Mutter. Mit scharfem Blick und erstaunlicher Einsicht porträtiert Gerwig die
Mutter-Tochter-Beziehung, die von liebevoll bis missbräuchlich alle
Schattierungen beinhaltet.
Mit genialem Scharfsinn beschreibt Lady Bird die Schwierigkeit des
Erwachsenwerdens und die Komplexität der Mutter-Tochter-Beziehung, weshalb der
Film, seine Regisseurin und die Hauptdarsteller zu Recht für zahlreiche Oscars
nominiert wurden. " [cineman.ch]
Gut erzählte Geschichte mit wenig Klischees. Wie weit das eigene Erwachsenwerden
darin erkannt werden kann, bleibt dahingestellt. |
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10.05.18
Lunchkino |
Andrey Zvyagintsev
Loveless
"Zhenya und Boris wohnen zwar noch zusammen, doch gegenseitige Verachtung ist
das Einzige, was von ihrer Beziehung geblieben ist. Nur die gemeinsame
Eigentumswohnung und ihr zwölfjähriger Sohn Alyosha hindern die beiden daran, in
ein neues Leben aufzubrechen. Weil sich keiner der beiden noch länger um den
Jungen kümmern will, überlegen sie, ihn in ein Heim zu geben. Doch dazu kommt es
nicht mehr, denn plötzlich ist Alyosha spurlos verschwunden. Andrey Zvyagintsev
(„Leviathan“) schildert die zermürbende Suche nach dem Jungen in nüchternen,
herbstgrauen Bildern. Sein Blick auf die russischen Verhältnisse ist
ernüchternd, doch es gibt auch Hoffnung: Während die Eltern in ihrer
Gleichgültigkeit die moralische Verwahrlosung der Gesellschaft repräsentieren,
stehen die Mitarbeiter des Suchdienstes mit ihrem selbstlosen Engagement für
einen radikalen gesellschaftlichen Gegenentwurf." [cinema.de]
Unbedingt sehenswert: Geschichte, Drehbuch, Intensität, Schauspieler/innen |
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23.10.18
Lunchkino |
Michael Steiner
Wolkenbruch nach dem Buch von Thomas Meyer
"Es sei ihr Motti, klagt Mame Wolkenbruch, früher doch ein ach so „lib
eyngl“ und „hartsik bebele“ (guter Junge und hübscher Knabe) gewesen.
Doch nun ist Mordeachai erwachsen. Und nur weil es so Tradition ist und
seine Mutter das wünscht, hat er keine Lust, irgendeine Frau zu
ehelichen. Er möchte eine Frau, die ihm gefällt, und zwar am liebsten
eine mit einem knackigen „tuches“ (Hintern), so wie seine
Studienkollegin Laura einen hat. Laura ist ganz anders als die
strenggläubigen „mejdlech“, die Mame Wolkenbruch Motti vorstellt. Sie
ist weltoffen, jobbt in einem Club, parliert mit charmant französischem
Akzent und spricht Motti an der Uni eines Tages einfach an.
Und weil Laura Motti auch schon mal in eines dieser Zürcher Szenenlokale
führt, in denen richtige Juden keinen Fuss setzen, und ihn zu ihrer
WG-Party einlädt, wird es für Motti zu Hause eng. Vorerst verschafft er
sich Luft, indem er sich mit Mutters nächsten Hochzeits-Kandidatin dem
Schein nach verlobt. Was bei Mutter einen Freudensturm auslöst, zu einem
Autounfall führt und Motti zur einer modischen Brille verhilft. Die
Mutter aber ist über die grässliche „brjln“ entsetzt. Doch Motti lässt
sich davon nicht mehr irritieren. Je länger die Sache mit Laura dauert,
desto mehr wächst er – leise unterstützt von seinem Tate (Vater) – über
sich und Mame Wolkenbruchs harsches Regime hinaus. So sehr, dass die auf
Rat des Rabbis zu Mottis Heilung anberaumte Reise nach Israel diesen
nicht auf den rechten Weg, sondern erst recht in die Arme seiner
Schickse (Nichtjüdin) führt.
Wolkenbruch zugrunde liegt der Debütroman von Thomas Meyer.
«Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse», wie dieser
titelt, spielt unverbrämt in Zürichs orthodox-jüdischen Kreisen,
vermischt Standarddeutsch mit Jiddisch. " [cineman.ch]
Einfach gut! Unbedingt sehenswert! |
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24.10.18
arte.tv |
Andrew Haigh
45 years
"Die ostenglische Grafschaft Norfolk ist im Herbst ein diesiger, trüber Ort, der
nicht dazu einlädt, draußen zu verweilen. Die ehemalige Lehrerin Kate unternimmt
trotzdem gerne Spaziergänge in der Natur. Ihr Mann Geoff, ein ehemaliger
Gewerkschafter, versucht sich im warmen Haus wiederholt an der
Kierkegaard-Lektüre. Andrew Haigh lässt also seinen Film „45 Years“ betont
unaufgeregt beginnen, mit ruhigen Innenaufnahmen und langen Landschaftstotalen.
Der 45. Hochzeitstag am folgenden Wochenende steht vor der Tür, für den noch die
letzten Vorbereitungen getroffen werden müssen. Zu der üblichen Aufregung vor
dem Fest kommt jedoch eine unvorhergesehene Nachricht hinzu. Geoff erhält einen
Brief aus der Schweiz; es ist ein Brief aus der Vergangenheit. Ihn holt ein
Kapitel seines Lebens wieder ein, das eigentlich abgeschlossen war, aber im
Verborgenen doch stets einen Teil seines Lebens ausmachte. Vor 50 Jahren ist
seine erste große Liebe auf einer gemeinsamen Tour in den Gletschern der Alpen
tödlich verunglückt. Erst jetzt, 50 Jahre später, wurde die Leiche im Eis
entdeckt. Dramaturgisch ist das eine Zäsur, doch die Inszenierung behält ihre
behutsam tastende Erzählweise bei. Kate kann sich nicht vorstellen, auf eine
Liebesgeschichte aus jener Zeit eifersüchtig zu sein – als ihr Mann und sie sich
noch gar nicht kannten. Doch die Tage der inneren Bewegtheit von Geoff lassen
sie allmählich zweifeln, ob sie wirklich die große Liebe für ihn war oder immer
nur ein Ersatz für etwas unerfüllt Gebliebenes"
[arte.tv]
Eine sehr gute Geschichte! Auc dank langsamer Erzählweise bleibt vieles haften.
Gut! |

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04.11.18
Lunchkino |
Ciro Guerra und Cristina Gallego
Birds of Passage
Als ethnologisches Drogen-Drama könnte man „Birds
Of Passage“ beschreiben, den neuen Film von Cristina
Gallego und
Ciro Guerra, der in Cannes die Nebenreihe Quinzaine de la Realisateurs
eröffnete. Dabei ist es sehr passend, dass die kolumbianische Produktion in
Deutschland fast zeitgleich zum Release der vierten Staffel von „Narcos“
in den Kinos startet. Schließlich ist „Birds Of Passage“ quasi sowas wie der
Prolog zu der Netflix-Serie sowie den ganzen Spielfilmen und Dokumentationen,
die gerade in den vergangenen Jahren verstärkt über den legendären Pablo Escobar
und andere Drogen-Bosse gedreht wurden. Der Film erzählt nämlich von den
Anfängen des Drogenhandels in Südamerika und dabei vor allem von den Folgen, die
Kapitalismus und Gier auf einen bis dahin von der Außenwelt praktisch
abgeschnittenen Stamm von Ureinwohnern haben.
Im Nordosten Kolumbiens lebt der von matriarchalischen Strukturen geprägte Stamm
der Wayuu auch Ende der 1960er Jahre noch weitestgehend abgeschieden von der
Zivilisation. Nur die jüngeren Stammesangehörigen haben gelegentlich Kontakt zu
den Bewohnern der nächsten Stadt. So auch Raphayet (Jose
Acosta), der mit Kaffeebohnen und Likör handelt. Um Zaida (Natalia
Reyes), die Tochter der Matriarchin Ursula (Carmina
Martinez) zu heiraten, müsste er eine Mitgift zahlen – die er sich aber
nicht leisten kann. Als eine Gruppe von Hippies, die an den malerischen Stränden
das Paradies suchen, ihn nach Marihuana fragen, fällt Raphayet die Entscheidung
nicht schwer, mit den Gringos Geld zu verdienen. Im Laufe der Jahre wird er
immer reicher, während die Drogen immer härter werden. Und mit ihnen die
Verteilungskämpfe… [filmstarts.de] |

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16.11.18
Sterk |
Asghar
Farhadi
Everybod Knows
"In Everybody Knows erzählt er von Laura (Penélope Cruz), die anlässlich
der Hochzeit ihrer Schwester in ihr Heimatdorf in Spanien zurückkehrt
und dort auch ihre Jugendliebe Paco (Javier Bardem) wieder trifft. Was
als ausgelassene Familienfeier beginnt, nimmt eine dunkle Wendung, als
Lauras Teenager-Tochter entführt wird. In einer Mischung aus Melodrama
und Thriller bewegt sich Farhadi dabei thematisch auf bewährten Pfaden:
Er erzählt einmal mehr von komplizierter Familien-Dynamik, sozialen
Unterschieden, schwerwiegenden Geheimnissen, die auch nach vielen Jahren
noch ebensolche Folgen haben, und der Korrumpierbarkeit durch Geld.
Allerdings schürft er dabei weniger tief als in Meisterwerken wie Nader
und Simin – Eine Trennung, verlässt sich ein wenig zu sehr auf allzu
offensichtliche Drehbuch-Kniffe und kann sich einem allzu
touristisch-folkloristischen Blick auf Spanien nicht entziehen. Immerhin
trösten hervorragende Schauspieler – allen voran Bardem und
Nebendarstellerinnen wie Barbara Lennie oder Elvira Mínguez – über
einige Schwächen hinweg."
[cineman.ch]
Nicht gut. Man schaut den Schauspielern zu wie sie schauspielern. |

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26.11.18
Trafo Baden |
Bradley Cooper
A star is born
"Die erste Hälfte des Films ist aufregend. Regisseur Bradley Cooper
filmt die Konzert-Szenen mit einer derartigen Unmittelbarkeit, dass wir
uns mitten im Geschehen wähnen, umgeben von Roadies, dumpfen Bass-Tönen
und dem tosenden Applaus des Publikums. Die Beziehung zwischen Jack und
Ally berührt unsere Herzen von Anfang an, und wir wollen daran glauben,
dass ihre Liebe Berge versetzen kann. In der zweiten Hälfte allerdings,
als Ally ihre eigene Karriere und Unabhängigkeit anstrebt und Jacks
Alkoholismus ausser Kontrolle gerät, verheddert sich der Film etwas. Ihr
Aufstieg zum Popstar und nicht seine Sucht wird plötzlich als der Feind
ihrer Liebe dargestellt. „Warum bin ich nicht genug für dich“, fragt
Jack verzweifelt, als er fürchtet, Ally zu verlieren.
A Star Is Born hat das Zeug dazu, ein „Monster“-Hit zu werden – nicht
zuletzt, weil es zwischen Gaga und Cooper gehörig knistert. Es ist ein
offenes Geheimnis, dass Schauspieler oft die besten Regisseure abgeben.
Der wahre Stern, der hier am Firmament aufgeht, ist der des brandneuen
Regisseurs Bradley Cooper." [cineman.ch]
Gute Musik, eine verblüffend gute Lady Gaga inkl. Bradley Cooper und
sehr gute Regie. |

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27.11.18
Sterk |
Barbara Miller
#Female Pleasure
"...Es zeigt sich das immer gleiche Bild: Der Körper der Frau gilt als
unrein und bringt das Böse in die Welt. Sie ist deswegen dem Mann
unterstellt, hat kein Recht auf Selbstbestimmung, oft auch kein Recht
auf eine eigene Sexualität. Das ist bei den Juden so, wie bei den
Muslimen; in Indien, so wie in Japan. Und so wie man ebenda eine
Künstlerin wegen ihrer provokativen Darstellung weiblicher
Geschlechtsteile vor Gericht stellt, erklärt man in Europa einer
ehemaligen Ordensfrau, als sie ihre Vergewaltigung durch einen
klerikalen Vorgesetzten rapportieren will, dass das nicht geht, weil
dabei keine Waffengewalt angewandt wurde.
Barbara Miller forscht diesem Phänomen in der Begegnung mit fünf Frauen
nach, die zu den wichtigsten Aktivistinnen der Welt gehören: die
ehemalige Ordensfrau Doris Wagner, die Künstlerin Rokudenashiko, die für
die Selbstbestimmung muslimischer Frauen kämpfende Somalierin Leyla
Hussein, die Jüdin Deborah Feldman, die sich mit „Unorthodox“ von ihrer
Herkunft freischrieb und die Inderin Vithika Yadav, die ihre
Landsmänninnen via Online-Plattform und Strassenaktionen ermuntert, sich
gegen sexuelle Übergriffe zu wehren.
Die fünf reden in #Female Pleasure offen über Tabus und ihre zum Teil
schmerzhaften, persönlichen Erfahrungen. Doch ihr Kampf, so vermitteln
sie und so ermittelt insgesamt auch Millers Film, lohnt. Und so ist #Female
Pleasure – auch wenn man Miller vorhalten kann, dass es vielleicht noch
andere als religiöse Gründe für das Ungleichgewicht der Geschlechter
gibt – ein kluger Beitrag zu einer Gender- und Gesellschaftsdebatte, die
nicht zuletzt im Zusammenhang mit #MeeToo zu führen dringend Not tut." [cineman.ch]
Eindringlich, unbedingt nicht verpassen! |

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08.12.18
Riffraff |
Alfonso Cuaron
Roma
"Cleo (Yalitza Aparicio), eine mit indigenen Wurzeln und aus ärmlichen
Verhältnissen stammende junge Frau, arbeitet zu Beginn der 70er-Jahre
als Kindermädchen bei einer wohlhabenden weissen Mittelstandsfamilie in
Mexico-Stadt. Nebst den üblichen Aufgaben, die sie als Hausangestellte
und Kindermädchen übernimmt, ist die ausgeglichene junge Frau auch eine
wichtige Konstante im Leben von Mutter Sofía (Marina de Tavira) und
deren vier Kinder, zu denen sie ein sehr inniges Verhältnis pflegt. Doch
der idyllische Schein trügt: Sowohl Vorfälle in der Familie als auch
politische Unruhen bringen das Leben von Cleo und den Menschen um sie
herum aus der Bahn.
Zwei Dinge stechen einem bei Roma sofort ins Auge: Zum einen ist dies
die nüchterne und zugleich spektakuläre Optik, die von den
Schwarz-Weiss-Aufnahmen in 65mm und vielen langen Plansequenzen geprägt
ist – Letztere müssen sowohl dem Regisseur als auch den Schauspielern
bezüglich Timing und Koordination einiges abverlangt haben. Die Kamera
dreht sich oft um sich selbst, das Geschehen im Haus oder auf der
Strasse bewegt sich natürlich mit ihr mit, als würde man hier einen
wahrhaftig sich so abspielenden Moment beobachten dürfen. Unterstützt
von einem cleveren Sounddesign ist man als Zuschauer mittendrin bei
diesen intimen Augenblicken – zum Beispiel wenn Cleo die Kinder in den
Schlaf singt oder mit dem Jüngsten auf dem Dach des Anwesens Tote
spielt." [cineman.ch]
Sehr schöner, äusserst gut gemachter Film, ohne Frage. Man darf einfach
kein kritisches Beleuchten und Hinterfragen der damaligen Zeit erwarten. |

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